Mitternachtskurier zur ISS: Dragon-33 bringt Forschung, die bleibt

Wenn Florida noch schläft, startet am Sonntag, 24. August, um 2:45 Uhr EDT eine Falcon 9 – beladen mit einem Dragon-Frachter und mehr als 2.300 Kilogramm Wissenschaft, Ersatzteilen und Alltagshelfern für das orbitalste Labor der Welt. Autonomes Andocken? Montag, 25. August, gegen 7:30 Uhr am vorderen Port des Harmony-Moduls. An den Kontrollbildschirmen: die NASA-Astronauten Mike Fincke und Jonny Kim. Dragon bleibt rund vier Monate, landet anschließend im Meer und bringt wertvolle Proben sowie Hardware zurück.

Worum es wirklich geht

Seit fast 25 Jahren ist die ISS eine Fabrik für Erkenntnis: Forscher aus über 110 Ländern haben dort über 4.000 Experimente in Mikrogravitation durchgeführt – also in einer Umgebung, in der Schwerkraft kaum stört. Das ermöglicht Dinge, die am Boden schlicht nicht gelingen: Materialien, Gewebe, ganze Herstellungsverfahren verhalten sich anders – häufig besser.

Die Mission in Kürze

– Flugnummer: SpaceX CRS-33 (13. unter dem zweiten Versorgungsvertrag der NASA; die ersten 20 liefen unter dem ursprünglichen Vertrag).
– Startplatz: Cape Canaveral Space Force Station, LC-40.
– Live: Startübertragung ab 2:25 Uhr EDT am 24. Aug.; Ankunft ab 6:00 Uhr EDT am 25. Aug. auf NASA+ – zusätzlich u. a. auf Netflix und Amazon Prime.

Forschung, die überrascht

1) Knochen schützen, auf der Erde wie im All
Langzeitflüge lassen Knochen schwindeln – ähnlich wie bei Osteoporose, nur schneller. Ein Experiment untersucht Stammzellen aus dem Knochenmark und ein Signalprotein namens IL‑6. Es kann die Zellen wahlweise zum Knochenaufbau oder ‑abbau dirigieren. Die Frage: Lässt sich das IL‑6-Signal so blockieren, dass Knochenverlust im All ausbleibt? Wer hier gewinnt, hilft auch Millionen älterer Menschen am Boden.

2) Metallteile drucken – direkt im Orbit
3D-Druck gab es an Bord bisher vor allem mit Kunststoff. Praktisch, aber begrenzt belastbar. Die ESA baut mit dem Metal 3D Printer auf den ersten erfolgreich gedruckten Metallteilen im All auf. Ziel: Werkzeuge und Ersatzteile on demand. Je weiter wir uns von der Erde entfernen, desto weniger können wir auf Lieferketten zählen – Fertigungskompetenz vor Ort ist Autonomie pur.

3) Lebergewebe mit Blutgefäßen – Bioprinting im Orbit
Vorherige Flüge zeigten: Biogedrucktes Lebergewebe überlebt und funktioniert in der Schwerelosigkeit. Nun geht es um Reife und Qualität – inklusive Mikrovaskularisierung, also feiner Blutgefäße. Gelingt dies besser als am Boden, rückt die Vision voll funktionsfähiger Transplantationsorgane näher.

4) Implantate, die Medikamente abgeben – Hilfe für verletzte Nerven
Ein Bioprinter fertigt Implantate, die Wirkstoffe gezielt freisetzen und Nervenbrücken bilden sollen – ein heikler Job, bei dem die feinkörnige Struktur zählt. Mikrogravitation kann glattere, präzisere Geometrien ermöglichen als jede Reinraumproduktion am Boden.

Cargo mit Hirn: Technik, die die Station stark macht

– Reboost-Kit: Ein eigenständiges Antriebsset im Dragon‑„Kofferraum“ speist zwei Draco‑Triebwerke und demonstriert die Fähigkeit, die Bahnhöhe der ISS zu halten – ein Meilenstein der „Serviceleistungen im Vorbeiflug“. Erste Demo: 8. Nov. 2024; weitere Burns ab Herbst 2025.
– Lebensader Wasser: Brine‑Filter, Multi‑Filtrationsbett, Wasserabscheider – das Upgrade-Paket für sauberes Kreislaufwasser in geschlossener Umgebung.
– Atemluft & Sicherheit: Neuer Anomalie-Gasanalyzer (ersetzt ältere Detektoren), Notatemgeräte mit Druckminderern, Akustikmonitor zur Lärmüberwachung.
– Fitness & Alltag: Poly-Seil-Kit für das Trainingsgerät (Verschleißteil), verbesserte Trinkwassertanks, Reinigungs‑Swab‑Kits.
– Trennen wie ein Profi: Separatorpumpe und ein Experiment zur passiven Trennung von Urin und Luft – unspektakulär klingend, im Orbit aber hohe Ingenieurskunst.

Was zurück zur Erde kommt

– Sauerstoff-Generatorpumpe: Seit 15 Jahren Arbeitstier der O2‑Produktion – nun Ruhestand, Zerlegung, Aufarbeitung für Nachfolger.
– CO2‑Monitor: Abgelaufen, wird überholt.
– Meteoroid‑Debris‑Abdeckung, Multi‑Filtrationsbett, Separatorpumpe, Rate‑Gyro‑Einheit: Reparatur, Refurbishment, Re‑Flight – Kreislaufwirtschaft, aber orbital.
– NORS‑Kit (Sauerstoff): Routinemäßig zur Wiederverwendung zurück.

Warum das bemerkenswert ist

– Autonomie: Reboost aus dem Frachter, Metall- und Bioprinting an Bord – die ISS wird zur Werkstatt und zum Biolabor für Langzeitmissionen.
– Transfernutzen: Knochenmedizin, Nervenheilung, Wasser- und Luftaufbereitung – Technologien für Mond und Mars, mit unmittelbarem Nutzen für Kliniken und Infrastruktur auf der Erde.
– Präzision durch Mikrogravitation: Wo Schwerkraft Bauteile verzieht und Gewebe kollabieren lässt, liefert die Schwerelosigkeit Ordnung – eine stille, aber mächtige Verbündete.

So sehen Raumfahrt und Forschung im Jahr 2025 aus: weniger Nachschub, mehr Können vor Ort. Und wenn am Montagmorgen Dragon im Harmony‑Modul anlegt, hat die ISS wieder ein Stück Zukunft an Bord.

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