Vom Tauchbecken zum Mond: Johnsons Jahr der leisen Großtaten

2025 war am Johnson Space Center in Houston ein Jahr ohne großes Getöse – und doch mit Meilensteinen, die die nächsten Schritte der bemannten Raumfahrt leiser, verlässlicher und erstaunlich nah erscheinen lassen. Zwischen feinjustierten Antennen, einem historischen Vakuumtank und einem sehr großen Schwimmbecken wuchs eine Infrastruktur heran, die Menschen sicher um den Mond führt – und eines Tages zum Mars.

Artemis II: Gestapelte Zukunft
Die Orion-Kapsel für Artemis II – jener zehntägige Flug um den Mond, geplant für Anfang 2026 – steht mit ihrem Rettungsturm bereits auf der Schwerlastrakete SLS (Space Launch System) im Vehicle Assembly Building. “Stacking” heißt das, und es ist mehr als Kosmetik: Danach folgten Härtetests der Kommunikations- und Schnittstellensysteme zwischen Rakete, Kapsel und Bodensegment. Der Rettungsturm wiederum ist der Notausgang auf Lichtgeschwindigkeit: ein System, das die Crew im Ernstfall in Millisekunden von der Rakete zieht.
Parallel eröffnete Houston die Orion Mission Evaluation Room – ein neues Nerven­zentrum in der Flugleitung, das Orions Systeme in Echtzeit überwacht und für Operationen jenseits des Erdorbits ausgelegt ist. Kurz: Mission Control bekommt ein Upgrade für die ferne Nachbarschaft.

Gateway: Strom an für die Mond­station
Das Herz der künftigen Mondraumstation, das Power and Propulsion Element, wurde erstmals erfolgreich mit Strom versorgt. Klingt technisch, ist aber die Voraussetzung dafür, dass Gateway später eigenständig navigiert, Strom verteilt und als Knotenpunkt für Wissenschaft und Landungen dient – ein kleiner, beständiger Hafen im Mondorbit.

Die nächste Astronautengeneration
Aus über 8.000 Bewerbungen wählte NASA zehn neue Astronautenkandidaten. Zwei Jahre Training später werden sie bereit sein für Einsätze in den niedrigen Erdorbit, zum Mond – und als Vorhut der Marsära. Der Personal­aufbau für die kommenden Jahrzehnte ist also in vollem Gange.

25 Jahre Raumstation: Ein Labor, das nie schläft
Seit dem 2. November 2000 lebt ununterbrochen eine Crew im All. Mehr als 290 Menschen aus 26 Ländern, über 4.000 Experimente von 5.000 Forschenden aus 110 Ländern – die ISS ist ein Stück gelebte Weltpolitik und ein einzigartiges Biolabor in Schwerelosigkeit, das Technologie, Medizin und Materialienforschung voranbringt. Und sie ist Sprungbrett: für Strahlenschutz, Lebenserhaltungssysteme und Prozeduren, die wir für Mond und Mars dringend brauchen.

Außenarbeiten mit Rekorden
Mehrere Spacewalks eröffneten das Jahr: Antennen wurden versetzt, Proben für die Astromaterial-Forschung (ARES) gesichert. Suni Williams kletterte dabei auf den vierten Platz der EVA-Bestenliste und hält nun den Frauenrekord: 62 Stunden und 6 Minuten außerhalb des Schutzes einer Raumstation – eine erstaunliche Summe, wenn man bedenkt, dass jeder Handgriff in einem Druckanzug der Schwerkraft trotzt, obwohl keine da ist.

Zwei Expeditionen, viele Premieren
Crew-10 erreichte im März die Station und landete im August wieder, während Crew-9 schon im März wassertankte. Jonny Kim startete erstmals zur ISS, Expedition 73 begann, Expedition 74 folgte – es war ein dichtes Rotationsjahr, in dem Ausbildung, Forschung und internationale Kooperation ineinandergriffen wie Zahnräder.

Mondlandungen im Dienst der Wissenschaft
Zwei kommerzielle Lander brachten für das NASA-Programm CLPS (Commercial Lunar Payload Services) ein Paket aus Instrumenten auf den Mond – Blue Ghost in Mare Crisium, IM-2 rekordnah am Südpol. Das ist mehr als Symbolik: Die Missionen testen, wie man Mondstaub bändigt, Ressourcen nutzt und Elektronik gegen Strahlung wappnet – die bodenständige Technik, ohne die keine Vision landet.

Planetary Defense: Der Blick ins Dunkel
NEO Surveyor, das erste Weltraumteleskop, das ausschließlich der Asteroidenabwehr dient, bestand die Thermalvakuum-Tests in der historischen Kammer A in Houston. Diese Prüfungen simulieren die Kälte und Leere des Alls – eine Art kosmischer TÜV. Ab Ende 2027 soll das Teleskop die schwer auffindbaren, dunklen Brocken aufspüren, die uns gefährlich werden könnten. Ruhiger, wichtiger Fortschritt.

Artemis zum Anfassen
Beim Houston AutoBoative Show standen neben Supersportlern plötzlich Mondrover. Besucher dockten virtuell Orion an Gateway an und übten Roverfahrten. Hinter der Show liefen harte Meilensteine: Alle drei Lunar Terrain Vehicle-Teams bestanden ihre Vorentwurfsprüfungen. Der nächste Schritt ist ein Demonstrationsauftrag – ein Rover, der noch in diesem Jahrzehnt Spuren im Mondstaub zieht.

Mondanzug im Schwimmbecken
Im Neutral Buoyancy Laboratory, dem berühmten NASA-Schwimmbad, absolvierten zwei Astronauten den ersten gemeinsamen Testlauf im neuen Axiom-Mondanzug (AxEMU). Unter Wasser simuliert man die Trägheit der Schwerelosigkeit – ideal, um Beweglichkeit, Werkzeuge und Prozeduren zu verfeinern. Über 700 Stunden bemannter, druckbeaufschlagter Tests später ist klar: Anzug und Anlage sind bereit für das Artemis-Training, die finale Designprüfung folgt 2026.

OSIRIS-REx: Geduld, Grips – und 120 Gramm Ursprung
Das Curation-Team in Houston erhielt einen Gruppenpreis für die Sicherung, Öffnung und Verteilung der Bennu-Proben. Klemmen und Mechanik stellten sich quer, doch das Team gewann – mehr als 120 Gramm Asteroidenmaterial liegen nun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit vor. Das ist Rohstoff für Erkenntnisse über die Entstehung unseres Sonnensystems – und vielleicht über die Bausteine des Lebens.

Axiom Mission 4: Internationale Erstlinge
Eine private Mission mit großen Premieren: Erstmals flogen Vertreter aus Indien, Polen und Ungarn zur ISS, angeführt von Peggy Whitson. Über 60 Experimente und umfangreiche Bildungsarbeit später landete die Crew sicher – ein Fingerzeig darauf, wie staatliche und private Raumfahrt in der Praxis zusammenwachsen.

Mars-Hardware im Museum – und auf Mars
Das Kalibrationstarget des SHERLOC-Instruments des Marsrovers Perseverance, gebaut in Houston, liegt nun – im besten Sinne – im Smithsonian, gleich neben einem R2-D2. Auf dem Mars sorgt sein Zwilling seit über vier Jahren dafür, dass Laser, Kameras und Spektrometer präzise bleiben. Darauf befestigt: Materialproben aus Raumanzügen, die zeigen, wie Stoffe der rauen Marsumwelt trotzen. Geologie trifft Ingenieurskunst – und bereitet echte Menschen auf echte Schritte auf fremdem Boden vor.

Fazit
Es sind selten die Scheinwerfer­momente, die den Weg ins All ebnen, sondern das geduldige Schichten von Tests, Räumen, Regeln, Routinen. 2025 hat das Johnson Space Center genau das geliefert: leise Großtaten, die aus Visionen verlässliche Missionen machen.

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