Eigentlich wollten wir als Familie dieses Jahr mit dem Wohnmobil von San Francisco nach Los Angeles und dann weiter nach Las Vegas fahren. Unsere erste USA-Reise! Dabei waren unsere Etappenziele vor allem die großen Naturparks und Campingplätze, an denen wir abends gemütlich den Sonnenuntergang mit wunderschöner Aussicht hätten genießen können. Und natürlich hätten wir von jedem schönen Ort wundervolle Fotos gemacht, die mir dann, wieder zu Hause, als Desktop-Hintergrund auf meinem Monitor den Alltag hätten versüßen können.
Jetzt hat uns COVID-19, umgangssprachlich auch einfach Corona genannt, einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht. Apropos Rechnung, wir hoffen, dass wir das Geld für die schon bezahlten Flüge zurück bekommen!
Da trifft es sich gut, dass ich mich schon von Beginn meiner ‚Programmiererkarriere‘ an, für die Darstellung der Realität mit Computermitteln begeistert habe. Die ersten computerisierten künstlichen Welten lernte ich in Spielautomaten kennen und sie wurden mit 2D-Mitteln dargestellt. Eine Art Irrgarten bei Pac-Man, eine vertikal über Leitern zu erklimmende Wand in Donkey Kong – und auf dem C-64 – in Jumpman. Einige Jahre später kaufte ich mir eine Voodoo Rush-Karte für meinen damaligen Computer und erlebte mit Forsaken einen der frühen 3D-Shooter. Mit der Entwicklung von Grafikkarten wurde es auch auf durchschnittlichen Computern möglich, eine dreidimensionale Welt in Echtzeit fließend darzustellen. Ich war fasziniert und gleichzeitig sah ich auch wie primitiv das doch noch alles war. Der Anfang einer fortwährenden Neugier auf die Verbesserungen, die im Laufe der Jahre unaufhörlich erschienen und immer wieder verbesserte Computer und Grafikkarten erforderten. Niemals habe ich eines dieser Spiele fertig gespielt. Immer erforschte und erfreute ich mich eine Zeit lang an der verbesserten Darstellung der Wirklichkeit, die doch niemals vollkommen war. Bevor ich ein Spiel zu Ende spielen konnte, war ich gelangweilt und vergaß es wieder.
Vor ein paar Jahren lernte ich das Computer-Rollenspiel Skyrim kennen. Ein 3D-Spiel mit einer ‚Open World‘, einer virtuellen Welt, so riesig, dass man fast Stunden braucht, um mit dem vom Spieler gesteuerten virtuellen Charakter von einem Ende ans andere zu laufen! Seit Far Cry hatte mich keine virtuelle Welt mehr so beeindruckt wie die Welt von Skyrim, in der ich stundenlang die verschiedenen Landschaften in den unterschiedlichen Klimazonen bestaunen kann. Du siehst in der Ferne einen schneebedeckten Gipfel und Du kannst dorthin gehen und ihn erklimmen! Damals war das für mich eine der realistischsten virtuellen Welten, die ich je gesehen hatte. Und wirklich konnte man sich darin verlieren und eine Zeit lang in einer Welt leben, die mit unserer nichts mehr zu tun hatte. Erstmals konnte ich leibhaftig spüren, was es bedeuten mag, wenn die Menschen ihre physikalische Welt zerstört haben und Zuflucht in der virtuellen Welt suchen.
Doch auch hier ließ irgendwann die Faszination nach und ich wandte mich wieder nahrhafteren Dingen zu. Die Faszination flackerte noch einmal auf, als ich die Modding-Szene entdeckte und damit die Möglichkeit, die Skyrim Welt noch realistischer zu machen. Dabei waren mehrere Mods von Interesse für mich. Zum einen gibt es mit ENBSeries ein Programm, welches bei vielen Spielen dazu verwendet wird, dass schon errechnete Bild der Grafikkarte weiter zu beeinflussen. Hier findet sich ein guter Guide dazu. Dies kann dann dazu genutzt werden einen Schärfentiefeneffekt, oder Farben und Kontrast aufgrund der aktuellen Beleuchtungssituation, hinein zu rechnen. Zum anderen ist es mit alternativen Templates möglich, einige der in Skyrim lebenden Figuren realistischer und hübscher darzustellen. Diese NPCs bewegen sich meist unabhängig vom Spieler-Charakter in der Welt von Sykrim. In der Summe ergibt das oft hübsche Szenerien, bei denen ich mir als Amateurfotograf erstmals überlegte, dass es schön wäre, wenn man sie in einem Bild festhalten könnte.
Womit wir beim Kern dieses Artikels sind.
Denn zu Weihnachten 2019 kaufte ich mir dass Spiel Red Dead Redeption 2 (RDR2) von Rockstar und kann es seit kurzem auf einem 4K Monitor bewundern. Seit meiner Erfahrung mit Skyrim beobachte ich aufmerksam die Entwicklung neuer Open World Spiele und bin dabei auf dieses Spiel gestoßen, das von Anfang an damit beworben wurde, dass es verschiedene Landschaftstypen Amerikas darstellen können soll. Das interessierte mich viel mehr als Grand Theft Auto V (GTA V), welches ebenfalls von Rockstar entwickelt wurde und auch eine riesige Open World mitbringt. Doch das Setting einer amerikanischen Großstadt machte mich bei weitem nicht so an, wie die dargestellte Natur von RDR2.
Von allen 3D Open World Spielen, die ich bisher in meinem Leben kennenlernen durfte, stellt RDR2 die Natur am realistischsten dar. Vor allem die Vielfalt der Vegetation wurde vermutlich noch nie so schön gerendert, wie das in RDR2 der Fall ist. Wind bewegt die Äste und Blätter, unzählige Tierarten bevölkern Landschaft und Wälder, Vögel fliegen alleine oder in Schwärmen umher, selbst Mücken sind überall zu sehen. Doch das Schönste sind die Sonnenauf- und untergänge, die wie im wirklichen Leben auch, die Landschaft in wunderschöne Farben taucht. Auch das Wetter spielt eine entscheidende Rolle. Wolken können für sehr schöne Lichtstimmungen sorgen oder ein Blitz kann eine hübsche Verzierung des Ausschnittes bedeuten. Dazu kommen volumetrische Effekte wie Staub und Nebel! Das alles zusammen ist der Traum eines jeden Landschaftsfotografen!
Ich reite (In RDR2 wird geritten und nicht gefahren oder gegangen) also durch die Landschaft und sehe einen schönen Landschaftsausschnitt nach dem anderen und will ihn unbedingt fotografisch festhalten. Zum Glück gibt es in RDR2 einen speziellen Fotomodus, mit dem man das Spiel jederzeit anhalten kann. Jetzt ist die Zeit eingefroren und es ist in einem gewissen Umkreis möglich, die Kamera beliebig im dreidimensionalen Raum zu positionieren, die Schärfentiefe und das Objektiv zu bestimmen und eine oder mehrere Aufnahmen zu machen. Leider werden diese in einem merkwürdigen Format an einer unbekannten Stelle gespeichert. Aus dem Spiel heraus sind sie leicht zugänglich. Wenn man sie aber gerne weiter bearbeiten möchte oder als Hintergrund speichern will, gibt es Probleme. Darum habe ich mir noch das Screenshot-Tool GreenShot installiert und kann so mit Betätigen der ‚Druck‘-Taste jederzeit den Bildschirm als JPG-Bild an einer Stelle ablegen, die mir gefällt.
In RDR2 kommt man sehr oft an eine fotografisch interessante Stelle, denn die dargestellte Landschaft ist aus der Sicht eines in die moderne Zivilisation Geborenen nahezu überall atemberaubend schön. Leider kommt man meist zum falschen Zeitpunkt, also nicht während der Morgendämmerung oder dem Sonnenuntergang. Was bedeutet, dass man für eine wirklich schöne Aufnahme warten muss. Nun gibt es in RDR2 die Möglichkeit ein Lager aufzuschlagen und die Zeit schlafend zu verbringen. Dabei taucht ein Problem auf, denn man kann zwar angeben, dass man bis zum Morgen oder dem Abend schlafen möchte, nur ist der Aufwachzeitpunkt leider immer nach dem Morgengrauen oder nach der Abenddämmerung. Natürlich befinden wir uns in einem Spiel und darum muss man nicht stundenlang warten, es kostet aber auf jeden Fall etwas Zeit.
Neben der idealen Tageszeit stellt sich dem geübten Fotografen auch die Frage, von welcher Stelle aus er die entdeckte Location am besten fotografiert? Aus welcher Richtung kommt das Licht, wo entstehen Schatten, was platziert man im goldenen Schnitt? Um die Lösung zu finden, reitet man am besten ein bisschen hin und her, klettert vielleicht einen Felsen hoch und macht ein paar Testaufnahmen. Einmal hatte ich eine Eisenbahnbrücke entdeckt und wollte sie in genau dem Moment fotografieren, wenn der Zug darüber fährt. Idealerweise befand sich auch ein passender Hügel in der richtigen Lichtrichtung, nur war er leider durch einen Abgrund von der Brücke getrennt. Um zu ihm zu kommen musste ich einen größeren Umweg in Kauf nehmen und bis ich ihn erreicht hatte, war der Zug schon vorüber gefahren.
Ihr merkt schon, es ist wie im richtigen Leben auch. Allerdings sind in RDR2 die verschiedenen Landschaften auf einem viel kleineren Areal vereinigt. Es muss darum bei weitem nicht so weit und lange gereist werden, wie das in der Realität der Fall sein würde.
Für mich ist es ungemein faszinierend, dass ich in dieser virtuellen Welt beim Fotografieren genau die gleichen Empfindungen und Erlebnisse habe, wie in der realen Welt auch. Wahrscheinlich werde ich das Spiel nie im konventionellen Sinn durchspielen, aber trotzdem viele Stunden damit verbringen, mir die schönsten Hintergrundbilder zu fotografieren.
Die Screenshots haben eine Auflösung von 3840 * 2160 Pixeln! Sieht man die Bilder hier im Blog, ist der Eindruck nicht ganz so bombastisch, wie wenn die Bilder auf einem 4K Monitor betrachtet werden. Gerade die detailreichen Landschaftsbilder leben vom Ansehen auf einer großen Fläche. Das sollte bei der Beurteilung beachtet werden. Durch die hohe Auflösung sind sie absolut geeignet, ausgedruckt und an die Wand gehängt zu werden. Die Möglichkeiten beschränken sich aber nicht nur auf reine Landschafts- oder Reisefotos. Mit etwas Geduld und einem Blick für besondere Situationen ist es möglich auch andere Bereiche der Fotografie zu erschließen, wie hier ein eher surreal-mystischer Shot:
Und selbst wenn die Screenshots nicht als hunderprozentige Fotografien durchgehen, so kann man sie auf jeden Fall als wunderschöne Gemälde betrachten, viele davon im Stile von Caspar David Friedrich, von dessen Bildern ich ein großer Fan bin.