
„Warum ruckelt’s?“ – „Weil Windows heute frei hat.“ Stellen wir zwei identische Rechner nebeneinander, lassen einen mit Linux und den anderen mit Windows laufen und jagen Borderlands 4 durch dieselbe Küstenlandschaft: Das Ergebnis ist kein Philosophieseminar, sondern eine nüchterne Messung – und die fällt derzeit zu Ungunsten des Pinguins aus.
Angeregt durch aktuelle Messungen in der PC-Gaming-Szene lässt sich das Bild klar zeichnen: Auf einem Ryzen 7 7700X mit 32 GB DDR5 und drei modernen GPUs – Radeon RX 9070, GeForce RTX 5070, Intel Arc B580 – sowie Full-HD, sehr hohen Presets und aktivierten Upscalern (FSR 4 bzw. DLSS 4, bei Intel XeSS) zeigt sich unter Linux Folgendes:
– AMD: Es läuft – und sogar angenehm reibungslos in der Bedienung. FSR 4 lässt sich via Proton-Umfeld bequem zuschalten, Shader kommen vorab per Steam und verkürzen Wartezeiten. Doch die Stoppuhr ist unbestechlich: Gegenüber Windows fehlen rund 30 Prozent Bilder pro Sekunde. Die GPU dümpelt um die 90 Prozent Auslastung, während sie unter Windows am Limit arbeitet – ein Hinweis auf CPU-Overhead in der Übersetzungsschicht von DirectX zu Vulkan und auf die Kosten von softwarebasiertem Lumen in der Unreal Engine 5.
– Nvidia: Spielbar, aber eigenwillig. Unter Linux zeigten sich auffällige weiße Pixel an Kanten – ein manueller ini-Workaround schafft Abhilfe und sorgt nebenbei für deutlich stabilere 1%-Lows (von 25,2 auf 53,3 FPS), im Mittel kommen etwa 4 FPS dazu. Dennoch bleibt Windows komfortabel vorn: rund 84 statt knapp 60 FPS, also etwa 44 Prozent Vorsprung. Wer flüssig spielen will, muss unter Linux mehr an den Reglern drehen als mit der Radeon.
– Intel: Kurzer Prozess. Unter Linux startet der Titel auf der Arc B580 gar nicht; unter Windows hingegen läuft er. Der Fortschritt der vergangenen Monate hilft hier noch nicht.
– Steam Deck: Ja, es startet. Nein, es macht keinen Spaß. Ohne offizielles „Verified“ und mit niedrigen Settings wird die Action zur Diashow – Benchmarks erübrigen sich.
Warum das interessant ist: Mit moderner Hardware und einem aktuellen Linux-Stack samt Proton erwartet man heute meist Parität oder zumindest Nähe zu Windows – insbesondere auf Radeon-Karten. Hier bleibt aber Performance auf dem Tisch. Übersetzung (DX12→Vulkan) plus UE5-Features wie Software-Lumen addieren CPU-Last, die unter Windows nicht in gleicher Härte ankommt. Das Resultat ist kein Defekt, sondern fehlende Optimierung – und genau das ist die gute Nachricht: Optimierungen lassen sich nachreichen.
Zwei Gedanken, die über die Messwerte hinausführen:
– Native Pfade als Performance-Escrow: Studios könnten parallel zum Windows-Release einen „Vulkan-first“-Pfad samt persistenter Pipeline-Caches bereitstellen. Das reduziert nicht nur den Übersetzungs-Overhead, sondern schafft eine technische Versicherung für alle Plattformen, auf denen Vulkan der gemeinsame Nenner ist – vom Desktop bis zur Handheld-Konsole. Für UE5 hieße das: bewusste Profilierung des Software-Lumen-Pfads, gezieltes Threading für Linux’ Scheduler und ein „Translation-Friendly“-Preset, das CPU-Spitzen kaschiert.
– Telemetrie statt Bauchgefühl: Eine standardisierte, anonymisierte Telemetrie in Proton (opt-in) könnte Engine-Entwicklern echte Daten über Stalls, Pipeline-Hotspots und Draw-Call-Bursts liefern. Weniger Rätselraten, mehr zielgenaue Patches – und kürzere Zeitspannen, in denen Linux-Spieler hinterherlaufen.
Es lohnt sich auch, die politischen Ränder des Themas zu betrachten. Linux-Gaming ist weniger eine Einzelfrage pro Spiel als ein Ökosystem-Problem: drei GPU-Anbieter mit sehr unterschiedlichen Treiberphilosophien, eine Engine, die historisch auf DirectX optimiert wurde, und eine Community, die erstaunlich viel Lücke füllt. Dass ausgerechnet AMD – sonst oft Vorreiter unter Linux – hier zurückfällt, zeigt, wie fragil die Balance aus Treibern, Übersetzungsschicht und Engine-Features ist. Und es erklärt, warum Intel unter Linux noch Stolpersteine sieht, während Nvidia zusätzlich mit Eigenheiten in der Darstellung kämpft.
Die kurzfristige Aussicht ist pragmatisch: Patches für Spiel, Proton und Treiber dürften in den nächsten Wochen spürbar helfen; unter AMD und Nvidia ist Borderlands 4 schon jetzt spielbar, wenn man Kompromisse akzeptiert. Mittel- bis langfristig entscheidet sich hier jedoch mehr als das Schicksal eines Shooters. Wenn UE5-Spiele unter Linux ohne Verrenkungen performen, ist das ein Signal: nicht nur für Enthusiasten, sondern für Studios, die Portierungskosten gegen Marktpotenzial abwägen.
Bis dahin gilt die unpopuläre Wahrheit des PC-Gamings: Die Zukunft ist fast fertig. Sie braucht nur noch ein paar Prozentpunkte weniger Overhead, ein paar Artefakte weniger und einen Startknopf, der auf allen drei GPUs auch wirklich klickt.