Schraubenzieher statt Wegwerfmentalität

„Warum kaufst du einen neuen Laptop, wenn du nur neue Teile brauchst?“ Diese ketzerische Frage dürfte viele Küchentisch-Debatten abkürzen. Ein Hersteller versucht seit Jahren, sie produktiv zu beantworten: mit einem Notebook, das eher an einen Werkzeugkoffer erinnert als an ein versiegeltes Konsumgut.

Die 2025er-Generation des Framework Laptop 16 bringt einen ungewöhnlichen Schritt für mobile Rechner, die man nicht nur nutzen, sondern pflegen will: Eine austauschbare Nvidia-GeForce-RTX-5070-Grafikeinheit, die wie ein Modul in den Rechner wandert. Dazu kommen neue Mainboards mit AMDs Ryzen-AI‑300‑Serie, Wi‑Fi 7, überarbeitetes Kühlsystem, eine neue Webcam sowie ein stärkeres 240‑W‑USB‑C‑Netzteil. Entscheidender Punkt: Alles lässt sich separat erwerben – Bestandsgeräte können Stück für Stück modernisiert werden.

Der Katalog liest sich wie die Liste eines gut sortierten Ersatzteillagers: Die neuen Hauptplatinen mit integrierter Wi‑Fi‑7‑Karte schlagen mit rund 749 bis 1.049 US‑Dollar zu Buche, das RTX‑5070‑Modul mit 699 US‑Dollar, das 240‑W‑Netzteil mit 109 US‑Dollar. Weitere Bauteile wie eine verbesserte Displayabdeckung (139 US‑Dollar), eine 1080p‑Webcam (39 US‑Dollar) oder ein Display mit G‑Sync‑Unterstützung (279 US‑Dollar) ergänzen das Angebot. Wer neu einsteigt, findet ein vorkonfiguriertes Basismodell ab 1.799 US‑Dollar; Varianten mit der RTX‑5070 sind ebenfalls ab Werk erhältlich.

Ein Detail zeigt, wie fein der Grat zwischen Hardware-Freiheit und technischer Realität verläuft: Die zweite Display-Generation unterstützt Nvidias G‑Sync; bei älteren Panels, die für AMDs FreeSync ausgelegt waren, ist laut Hersteller keine Firmware‑Nachrüstung möglich – auch nicht im Servicezentrum. Wer variable Bildwiederholraten im Verbund mit der neuen Nvidia‑Grafik möchte, muss also physisch tauschen. Modulare Hardware befreit, aber sie umgeht nicht jede Grenze von Lieferkette, Lizenz und Panel‑Elektronik.

Der Rest des Konzepts bleibt radikal offen: sechs modulare Ports über Austauschkarten, die sich links und rechts frei bestücken lassen; eine Tastatur, die sich zentrieren oder mit Nummern- oder Makroblock kombinieren lässt; ein mechanisches Trackpad, das ebenso versetzt werden kann. Das 16‑Zoll‑IPS‑Panel löst mit 2560 x 1600 auf und geht bis 165 Hz. An Bord sind außerdem ein Fingerabdrucksensor im Power-Button, Bluetooth 5.4, ein 85‑Wh‑Akku sowie ein Gehäusegewicht um 2,4 kg.

Was bedeutet das jenseits der Datenblätter?

Erstens: Modulare Laptops könnten die Ökonomie des Rechnens umstellen – weg vom Komplettaustausch alle drei bis fünf Jahre, hin zu einem „Ersatzteil‑Abo“, bei dem GPU‑, Mainboard‑ und Funkmodule im eigenen Tempo nachrücken. Das verlagert Ausgaben in kleinere, planbare Wellen und eröffnet Gebrauchtmärkte für Vorjahres‑Module. Firmenflotten könnten so gezielt Engpässe beseitigen (zum Beispiel mehr GPU‑Leistung für KI‑Workloads), ohne funktionsfähige Displays, Gehäuse oder Akkus zu entsorgen.

Zweitens: Wenn sich der Grafik‑Schacht als De‑facto‑Standard etabliert, wären Ökosysteme denkbar, die heute dem Desktop vorbehalten sind: mehrere Leistungsklassen eines Moduls, Drittanbieter‑Kühllösungen, vielleicht ein offener Formfaktor, der auch in Geräten anderer Marken steckt. Der Haken ist absehbar: Ohne gemeinsame Spezifikationen für elektrische Budgets, VRR‑Protokolle und mechanische Toleranzen bleibt Modularität eine Insellösung. Der oben erwähnte Displayfall taugt als Mahnung: Austauschbare Teile sind nur so frei, wie es die Firmwarepolitik der Zulieferer zulässt.

Drittens: Die Bastel‑Kultur, die um mechanische Tastaturen entstanden ist, könnte bei Notebooks eine Schwester bekommen. Austauschbare Blenden, alternative Layouts, Community‑Firmware (QMK ist bereits im Spiel) – plötzlich wird das Arbeitswerkzeug zur persönlichen Plattform. Für Bildungseinrichtungen ist das mehr als Spielerei: Studierende, die Komponenten selbst montieren, lernen dabei Elektrik, Thermik und Debugging – angewandte Digitalkompetenz statt abstrakter Folien.

Viertens: Ökologisch ist der Ansatz ein Hebel, kein Heiligenschein. Wer nur Teile tauscht, spart Material und Energie in Herstellung und Logistik. Gleichzeitig entstehen neue Pflichten: Ersatzteile müssen jahrelang verfügbar und dokumentiert bleiben; Hersteller sollten Reparatur‑ und Kalibrierungssoftware öffentlich zugänglich machen; und es braucht transparente Angaben zu CO₂‑Fußabdrücken einzelner Module, damit Käufer die tatsächlich nachhaltige Wahl treffen können.

Angeregt durch aktuelle Entwicklungen in der Reparatur‑ und Open‑Hardware‑Szene lässt sich sagen: Dieses Notebook ist weniger ein Produkt als ein Prozess. Es verändert, was „neu“ bedeutet. Neu kann in Zukunft heißen: ein anderes Mainboard, ein stärkerer Grafik‑Block, ein modernisiertes Funkmodul – und ein Gehäuse, das weiterhin seine Dienste tut. Die offene Frage bleibt, wie viele Hersteller und Zulieferer bereit sind, die dazu nötigen Standards, Firmware‑Wege und Garantien mitzugehen. Wer darauf eine gute Antwort findet, verkauft nicht nur Technik. Er verkauft Zeit – und die Möglichkeit, sie sinnvoll zu verlängern.

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