Blue Pool

08.07.2024, Cove Creek Campground

Obwohl ich gestern Abend dachte die Stechmücken sind hier nicht so dolle, habe ich heute morgen ein paar Stiche an den Füßen festgestellt. Die sind schlau! Denn wären sie gestern um meinen Oberkörper oder meinen Kopf herum geflogen, hätte ich sie getötet, oder wäre schon etwas früher in den Bus hinein gegangen. Im Bus ist es aber heißer als draußen und darum versuche ich das möglichst lange zu vermeiden. Es geht hier um Temperaturen tagsüber um weit über 30 Grad und im Bus sind es Abends auch noch 30 Grad.

Heute ist Montag und es steht wieder einmal Rasieren an. Also bin ich heute morgen zum Restroom, der hat aber nur ein Waschbecken. Das heißt, wenn da jemand sich nach dem Pippi machen die Hände waschen will, stehe ich ihm im Weg herum. Leider war die Lampe ausgefallen, die das Gesicht wenigstens etwas hätte beleuchten können. Außerdem hing der Spiegel viel zu niedrig, so dass ich in die Knie gehen musste um überhaupt etwas zu sehen. Also bin ich noch einmal zum Bus zurück und habe mir eine Taschenlampe geholt. So gerüstet habe ich dann versucht mich zu rasieren. Durch das Hin- und Herlaufen war ich auch schon wieder leicht geschwitzt, was das Rasieren noch unangenehmer macht. Echt kein leichter Job!

Ich hab dann noch einmal versucht die Rasur im Autospiegel zu kontrollieren, was bei den Lichtbedingungen und den Verrenkungen die ich dafür machen musste auch nicht leicht war. Ich denke ich habe es einigermaßen hin bekommen. Aber nächste Woche hoffe ich auf einen besseren Restroom. Dann kontrolliere ich noch einmal alles.

Danach bin ich nach Detroit gefahren. Da gibt es einen Supermarkt. Da heute hohe Temperaturen zu erwarten sind, habe ich mir noch 4 Dosen Getränke gekauft, 2 Instant Nudelgerichte und ein Chicken Sandwich, welches ich gleich draußen gefuttert habe, da die beiden Weißbrotscheiben von heute morgen sicher nicht über Mittag reichen. Weiter geht es zum Blue Pool, eine der Attraktionen im Willamette Park. Eigentlich verfolge ich dabei nur ein Instagram Reel meiner älteren Tochter, welches sie mir Anfang Mai weitergeleitet hat. Als ich an der Brücke ankomme, die zum Trail Head führt, ist diese mit Schranke und Pickup gesperrt. Ein Schild zeigt dass die Brücke Mo, Di und Mi gesperrt ist, also auch morgen, wo ich noch hier bin. Das ist sehr traurig, da komme ich extra nach Tagen hierher um diesen Pool zu sehen und dann darf ich nicht hin! Da kommt eine Art Bauarbeiter und fragt ob ich zum Blue Pool will. Er hat einen Packen mit DIN A4 Ausdrucken mit einer Karte dabei auf der 2 Alternativen beschrieben sind. Eine mit einem sehr langen Trail (über 4 Meilen eine Richtung) und eine mit einem nicht ganz so langen Trail (2.4 Meilen). Dazu muss ich aber zurück fahren und auf einer Seitenstraße wieder dort hin, wo ich auch über die Brücke hingekommen wäre! Das Wort ‚gravel‘ habe ich in diesem Moment noch nicht wahr genommen. Also fahre ich wieder zurück und biege auf die Seitenstraße ein. Das ist aber nichts anderes als bei uns ein geschotterter Waldweg! Egal, ich will zu diesem Blue Pool, koste es was es wolle. Der Waldweg besitzt im Gegensatz zu unseren Waldwegen türgroße und eimertiefe Schlaglöcher, die es gilt rechtzeitig auszumachen und zu umfahren, was mir nicht immer gelingt. Vor allem dann nicht, wenn davon gleich 2 oder 3 hintereinander auftauchen. Hinter mir ziehe ich eine der schönsten Staubwolken ever her. Kaum zu glauben, dass man das hier fahren darf. He, 4Motion, zeig was Du kannst! Mit tut der Bus echt leid, normalerweise würde ich ihm das nicht zumuten, aber was bleibt mir übrig.

Nach schier endloser Zeit komme ich am Trail Head an und kann zum Glück den Bus unter Bäumen im Schatten abstellen. Ich nehme noch eine der Dosen aus dem Kühlschrank, fülle mir eine Flasche Wasser ab, schnappe mir meinen Wanderrucksack und schon geht es los. Der Trail zeigt gleich von Anfang an von was für einem Kaliber er ist. Das ist sicher einer der schönsten Wanderwege, die ich je gegangen bin, am Anfang noch auf Erde und Baumwurzeln, zeigt er später immer mehr Felsen und Lavagestein, so dass man gut aufpassen muss, wo man seine Füße hin setzt. Er führt die ganze Zeit an einem Fluss entlang und zwischen riesigen Baumstämmen durch. Bis auf den Weg selbst ist alles naturbelassen und so sieht man links und rechts einen richtigen Urwald und auch der Fluss ist teilweise mit umgefallenen Bäumen angereichert. Die Dose trinken ich gleich am Anfang beim Gehen. Nach einiger Zeit finde ich einen Eisbrocken, dann plötzlich eine frische rote Flüssigkeit, könnte Saft sein oder aber auch Blut. Ein Stück weiter treffe ich auf eine Vierergruppe, vermutlich Vater, Mutter und Kleinkind, sowie einen älteren Sohn, der scheinbar schon einmal gestürzt ist, denn er ist an Armen und Beinen voller Dreck. Sie ziehen so einen Kunststoffbollerwagen hinter sich her und tragen einen schwere Tasche noch dazu. Also ich denke da ist so ziemlich alles fehl am Platz, ich meine es ist glutheiß und der Weg ist mit Sicherheit nicht für einen Bollerwagen geeignet. Ich würden den Wagen jetzt im Wald verstecken und zu Fuß weitergehen, wenn überhaupt. Die haben wahrscheinlich gedacht das sind ein paar hundert Meter und da kann man dann schön ein Picknick am Pool machen.

Wieder ein Stück weiter treffe ich auf ein junges Paar mit zwei Hunden, irgendwo zwischen Jagd- und Windhund angesiedelt. Die Hunde sind fertig, liegen auf dem Boden und hecheln. Ich grüße freundlich und gehe weiter. Ich will mich da bei den Einheimischen nicht einmischen, die werden schon wissen was sie da tun.

Dann höre ich plötzlich einen Quadcopter und wenig später sehe eine junge Frau die ihn steuert. An einer Felswand sitzen einige junge Leute und scheinen zu posieren. Ich gehe dahin und kann den Blue Pool zum ersten Mal sehen. Ich sehe aber keinen Weg dort hinunter. Also erst einmal weiter und wenig später habe ich das Gefühl mich vom Pool zu entfernen. Also wieder zurück, ein junges Paar, welches ich vor ein paar Minuten überholt habe kommt mir entgegen und scheint sich ebenfalls verlaufen zu haben. Ich treffe noch mehrfach auf Leute die den Weg hinab zum Pool suchen. Ein junger Mann erklärt es mir und es ist tatsächlich nicht so ganz einfach, denn jetzt wird der Trail zum Kletterpfad und man muss gut Acht geben, nicht zu stürzen oder von der Felswand zu fallen. Zum Schluss wird es noch einmal richtig steil. Unten am Pool angekommen muss ich erst einmal einen Platz zum Stehen finden, denn es sind natürlich auch andere Leute da und der Bereich wo man sich aufhalten kann ist nicht groß. Ich will auf jeden Fall einmal in das blaue Wasser! Aber gar nicht so einfach. In einer Ecke ziehe ich meine Badehose an und suche einen Platz zum Abstellen meines Rucksacks. Dann gehe ich vorsichtig vor zum Poolrand, der Boden ist allerdings extrem steinig und man kann nur unter großer Vorsicht einen nackten Fuß vor den anderen setzen. Jetzt habe ich Muße mir alles genauer anzusehen. Aber zuerst tauche ich meinen Fuß an einer Stelle, wo ein Stück Felsen einige Zentimeter unterhalb der Wasseroberfläche ist ins Wasser und ich kann Euch sagen, das Wasser ist extrem kalt. Das Wasser ist so kalt, dass man es nicht aushält nur eine Minute darin herum zu waten! Jetzt wird auch klarer warum die da alle stehen und auf das Wasser starren – die sind alle dabei einzuschätzen ob sie da wirklich hinein wollen und auf welche Art sie das machen wollen. Denn ein Problem gibt es: Es gibt nirgends eine sanft abfallende Stelle, an der man vorsichtig hinein gehen kann und wenn es einem zu kalt wird, sofort wieder zurück gehen kann. Außerdem ist das Gestein sehr schroff und man kann sich leicht daran verletzen. Es gibt aber auch keinen sichtbaren Grund! Springt man hinein, geht man auf jeden Fall erst einmal unter. Ich überlege was passiert wenn ich hinein springe und einen Herzinfarkt bekomme? Dann werde ich erst einmal tief abtauchen und es wird mich niemand heraus holen, da keiner Bock hat in das kalte Wasser zu springen. Ein mutiger Mann macht es plötzlich vor, samt T-Shirt springt er von der Kante, schwimmt ein paar Meter und klettert sofort wieder hinaus. Und so geht es immer weiter, ab und zu nimmt ein Mann oder eine Frau all ihren Mut zusammen und springt hinein, um sofort wieder heraus zu klettern. Manche bekommen dann richtig Applaus, wenn sie schon lange überlegt haben.

Na ja, es kann ja nicht sein dass ich bis hierher gekommen bin und jetzt eine Rückzieher mache. Ich drücke einer Dame mein Smartphone in die Hand und bitte sie mich zu filmen und springe hinein, ein paar Meter schwimme ich hinaus und dann aber schnell wieder zurück. Vorsichtig klettere ich an der scharfkantigen Felswand ans Ufer und freue mich, dass ich es geschafft habe. Wenig später sehe ich überall Blutstropfen vor mir und kann erst nicht erklären wo die herkommen. Eine Frau sagt ich hätte im Gesicht ‚bleeding’. Da sehe ich auf einmal dass ich aus dem Finger blute und auch die andere Hand hat eine kleine Stelle wo es blutet. Das Blut im Gesicht kommt vermutlich weil ich mir mit der Hand durch das Gesicht gewischt habe. Erst denke ich der Nagel wäre gespalten aber dann stellt sich doch alles als gar nicht so schlimm heraus. Ich wasche noch mein T-Shirt im See aus und ziehe es dann klatschnass an, so kann es mich auf dem Rückweg eine Zeit lang kühlen. Die Badehose lasse ich auch an, bis zum Bus ist die längst trocken und dann kann ich gleich noch einmal zurück am Campground schwimmen gehen.

Als ich wieder zurück gehen will, sehe ich die Vierergruppe. Sie hat es tatsächlich geschafft. Allerdings ohne Bollerwagen, den müssen sie irgendwo im Wald versteckt haben. Wir grüßen uns kurz. Viele hundert Meter weiter auf dem Trail, ungefähr an der Stelle, wo sie vorhin auch waren, treffe ich wieder auf die Hundebesitzer. Was haben die die ganze Zeit gemacht, ich denke ich werde so anderthalb Stunden am Pool gewesen sein? Eben packt er den einen Hund in einen Rucksack, ich grüße und gehe weiter. Will ja nicht neugierig sein, obwohl ich es bin. Ich denke die haben den Pool für heute aufgegeben und kehren um. Der andere Hund wird es auch nicht mehr lange machen. Also ich meine, er wird aufhören mitzugehen.

Am Trail Head treffe ich ein paar der Damen die auch am Pool waren. Sie grüßen freundlich. Man kennt sich jetzt. Man hat gemeinsam überlegt: Hineinspringen oder nicht. Jetzt geht es die staubige Strecke wieder zurück. Nach einigen Kilometern sehe ich im Rückspiegel ein Auto, dass dicht hinter mir seinen Weg durch den Staub sucht. Ich kann nicht verstehen, dass der nicht einige hundert Meter Abstand hält, damit er nicht so viel Staub abbekommt? Außerdem muss der doch in all die Schlaglöcher hinein krachen? An einer Stelle lasse ich ihn vorbei und warte einige Sekunden, bis sich der Staub verzogen hat. Endlich bin ich wieder auf einer Teerstraße, die ich jetzt noch gute 55 Minuten verfolgen muss, bis ich wieder am Campground bin.

Dann hole ich den kleinen Eimer aus dem Laderaum und putze Laufschuhe und Bus. Beim Bus am wichtigsten sind die Frontscheibe, die weniger voller Staub, als viel mehr voller totem, ehemals flugfähigem Kleingetier ist. Aber speziell hinten am Bus hat sich Staub in Mengen versammelt und ich spüle es mit Lappen und Eimergeschütte ab. Dann erst einmal für mich noch eine kalte Dose Limonade. Und diesmal mache ich mir 2 Nudel Dosen warm, da ich lange nichts mehr gegessen habe. Dafür habe ich dann einen kleinen Blähbauch, den ich nach dem Spülen zum Strand trage und einige Minuten schwimmen gehe. Dann Duschen, noch ein Bier, und noch eine Dose Limonade und ich setze mich neben den Bus und schreibe Tagebuch, während vor mir langsam alles schwarz wird und nur der See noch durch die Bäume schimmert.

 

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